SchUM / Jüdisches Mainz

SchUM

Neben den rheinland-pfälzischen Städten Speyer und Worms gehört Mainz zu den sogenannten SchUM-Städten. Die Abkürzung SchUM steht für die Anfangsbuchstaben der mittelalterlichen, hebräischen Namen von Speyer, Worms und Mainz. Alle drei Städte verbindet ein bedeutendes jüdisches Erbe, weshalb die SchUM-Stätten (Judensand, Heiliger Sand, Judenhof) in Mainz, Worms und Speyer im Juli 2021 durch das UNESCO-Komitee zum Welterbe erklärt wurden. Die SchUM-Stätten sind damit das erste jüdische Welterbe Deutschlands.

Bereits seit dem 10. Jahrhundert bildeten sich jüdische Gemeinden in Mainz, Worms und Speyer. Damit gehören sie zu den frühesten nachweisbaren Gemeinden in Mittel- und Osteuropa. Durch sie wurden Kultur, Religion und Rechtsprechung in der aschkenasischen, d.h. der mittel- und osteuropäischen Diaspora (=“Verstreuung“) wesentlich geprägt. Ein Zitat des jüdischen Gelehrten Isaak Or Sarua von ca. 1200 die Bedeutung der Region: „Wie sehr gehören unsere Lehrer in Mainz, in Worms, und in Speyer zu den gelehrtesten der Gelehrten, zu den Heiligen des Höchsten…von dort geht die Lehre aus für ganz Israel…seit dem Tage ihrer Gründung richten sich alle Gemeinden nach ihnen, am Rhein und im ganzen Land Aschkenas“.

Im späten 10. Jahrhundert war Mainz ein Zentrum für jüdische Kultur und Gelehrsamkeit, dass sogar eine jüdische Hochschule umfasste, an der der Rabbiner Jehuda ben Meir gen.Leontin lehrte. Er begründete das systematische Talmudstudium in Mitteleuropa. Einer seiner Schüler war der aus Mainz stammende Rabbi Gerschom ben Jehuda (um 960 bis 1028 oder 1040), der zum einflussreichsten Talmudlehrer des aschkenasischen Judentums wurde. Rabbi Gerschom ben Jehuda wurde mit dem Ehrentitel „Leuchte der Diaspora“ ausgezeichnet, nachdem er entscheidende Gutachten zu religiösen Rechtsfragen geschrieben hatte. Das Briefgeheimnis, das Verbot der Vielehe und eine Reform des Scheidungsrechtes sind auf sein Wirken zurückzuführen.

Auch in Worms entstand schließlich eine jüdische Hochschule. So entwickelte sich in Mainz, Worms und Speyer eine Vorreiterrolle in der Gelehrtentradition des aschkenaischen Judentums. Im Jahr 1146 wurde den Rabbinern aus Speyer, Worms und Mainz auf einer Versammlung in Troyes die höchste Autorität in religiös-kultischen und rechtlichen Fragen zugestanden. Ihre erarbeiteten Vorschriften galten als verbindlich und wurden als „Takkanot-Schum“ in einer Rabbiner-Synode 1220 in Mainz niedergeschrieben.

Die SchUM-Städte blieben bis Mitte des 13. Jahrhunderts zentrale Orte des mitteleuropäischen, aschkenasischen Judentums. Nach Pogromen und Vertreibungen verloren die Gemeinden zwar an überregionaler Bedeutung, doch ihr Ansehen als Orte und Räume der Erinnerung und Gelehrsamkeit ist bis heute ungebrochen. SchUM konnte sich auch nach den Katastrophen des 14. Jahrhunderts wieder als wesentliches Zentrum der Gelehrsamkeit etablieren. In Worms wirkte diese Tradition bis in die Neuzeit fort, in Mainz wurde sie wiederbelebt.

Gelehrsamkeit war Teil des Lebens in den Synagogen, Lehrhäusern und Judenvierteln von SchUM und drückt sich auch in den Begräbnisstätten dieser Gelehrten auf den Friedhöfen von SchUM aus. Hinzu kommt eine bedeutende erzählerische Kultur in den SchUM-Städten. Diese Legenden und Überlieferungen zeigen: Es gab einen regelrechten jüdischen Lokalpatriotismus den SchUM-Städten gegenüber. SchUM bedeutet, einem großen jüdischen Erbe anzugehören.

SchUM ist in Europa sowie der Welt in verschiedenster Weise präsent und wird so von Generation zu Generation weitergetragen.

Aufgrund der zahlreichen Zerstörungen sind in Mainz weder vom frühneuzeitlichen jüdischen Viertel, noch vom mittelalterlichen Ghetto steinerne Zeugnisse bekannt. In großen Teilen ist hingegen der mittelalterliche Friedhof »Judensand« an der Mombacher Straße erhalten. Vertreibungen der Juden führten jedoch immer wieder zu Räumungen und Umgestaltungen des »Ewigen Ortes« und damit zu gravierenden Verlusten an Grabsteinen. Seit den 1860ern kamen bei Bauarbeiten in Mainz immer wieder bedeutende Grabsteine von Juden ans Tageslicht. Der Denkmalfriedhof dokumentiert, wie zentral und wichtig Magenza war und ist:ein solcher Denkmalfriedhof ist einzigartig in der jüdischen Welt. Im Landesmuseum Mainz existiert eine Judaica-Abteilung, die ein neues Erscheinungsbild erhält und sich weit mehr auf SchUM beziehen soll.

Folgende Führungen zum Thema "SchUM / Jüdisches Mainz" können gerne auf Anfrage per E-Mail an gaestefuehrung(at)mainzplus.com oder telefonisch unter +49 (0) 6131 / 242-827 gebucht werden:

  • Der Judensand - Teil des UNESCO-Welterbes
  • Magenza - Das Jüdische Mainz - Eine der drei SchUM-Städte
  • Stolpern im Kopf und im Herzen
  • Anna Seghers, ein Mainzer Mädchen

Diese Führungen sind auch zu regelmäßigen Terminen als öffentliche Führungen buchbar.

Mehr Informationen finden Sie auf der Webseite der SchUM-Städte.


Alter Jüdischer Friedhof "Judensand"

Jüdische Begräbnisstätten sind die wichtigsten und bedeutendsten Zeugnisse der Geschichte der Jüdinnen und Juden in Deutschland. In Mainz ist der Alte Jüdische Friedhof „Judensand“ mit nahezu 1.500 historischen Grabsteinen eine wichtige Komponente des seriellen Weltkulturerbes - zusammen mit den erhaltenen Stätten in Speyer und Worms.

Viele Grabsteine stammen aus dem 11. Jahrhundert und somit gilt der „Judensand“ in Mainz neben dem „Heiligen Sand“ in Worms als ältester jüdischer Friedhof Europas.

Das Friedhofsareal lag ursprünglich außerhalb der mittelalterlichen Stadt und erstreckte sich entlang der ehemaligen römischen Ausfallstraße, der heutigen Mombacher Straße. Es war der Begräbnisort für Jüdinnen und Juden aus Mainz und der näheren Umgebung. Nach Auflösung der jüdischen Gemeinde im 15. Jahrhundert konstituierte sie sich langsam wieder im 17. Jahrhundert. Auf dem verbliebenen unteren Teil des „Judensandes“ befinden sich heute Grabsteine aus der Zeit um 1700 bis zum Jahr 1880, als der Friedhof endgültig geschlossen wurde. Für Besucher und Besucherinnen ist nur dieser untere Teil des „Judensandes“ zugänglich.

Mehrfach wurde die ewige Ruhe der Toten gestört. Als die jüdische Gemeinde 1438 vertrieben wurde, räumte die Bürgerschaft die mittelalterlichen Grabsteine und verwendete sie als Baumaterial. Das Friedhofsgelände wurde von der Stadt als Weinberg verpachtet. Erst im 19. Jahrhundert kamen im Stadtgebiet viele dieser als Baumaterial verwendeten jüdischen Grabsteine in der Nähe des Gautors oder am Rheinufer wieder zufällig ans Tageslicht. Die Mainzer Rabbiner Siegmund Salfeld und Sali Levi vereinten die wiedergefundenen Grabsteine auf dem oberen, nicht genutzten Teil des Friedhofareals zu einem so genannten Denkmalfriedhof, der 1926 eingeweiht wurde. Die Anordnung der Steine ist eher willkürlich und nicht – wie ursprünglich an diesem Ort üblich – nach Osten, nach Jerusalem, ausgerichtet.

Viele Grab- und Gedenksteine auf dem Denkmalfriedhof wie die von Meschullam ben Rabbana’ Rabbi Kalonymos oder Jakob ben Jakar aus dem beginnenden 11. Jahrhundert haben noch heute für Juden und Jüdinnen aus aller Welt Relevanz. Der älteste jüdische Grabstein Mitteleuropas von Jehuda ben Schneor – heute im Landesmuseum – stammt aus dem Jahr 1049.

Unter Beachtung der Regeln für den Besuch jüdischer Stätten und aus Sicherheitsgründen bitten wir um Verständnis, dass der Besuch des Friedhofs aktuell nur als Führung "Der Judensand - Teil des UNESCO-Welterbes" oder einmal im Monat als öffentliche Führung möglich ist. Das Friedhofsareal ist aber aufgrund seiner Lage gut einsichtig.


Jüdischer Friedhof

Durch den Mainzer Stadtbaumeister Eduard Kreyßig wurde 1880 ein neuer jüdischer Friedhof an der Unteren Zahlbacher Straße neben dem Mainzer Hauptfriedhof angelegt. Damit lief die Nutzung des alten Friedhofes Judensand in er Mombacher Straße aus. Am Eingang des Friedhofs befindet sich eine 1948 angebrachte Gedenktafel mit der Inschrift: „Unseren Opfern zum Gedenken. Den Mördern zur Schande. Den Lebenden zur Mahnung.“ Die Gräber blieben während des NS-Regimes und der Kriegszeit unversehrt. Bis heute werden Mitglieder der jüdischen Gemeinde hier beigesetzt.

Die Öffnungszeiten finden Sie auf der Webseite der Jüdischen Kultusgemeinde Mainz Rheinhessen.


Neue Synagoge

Die spektakuläre Neue Synagoge wurde 2010 in Mainz eingeweiht. Der Architekt Manuel Herz bezieht sich mit der Form der Synagogenbaus metaphorisch auf die SchUM-Gelehrsamkeit und die Gelehrsamkeit des Gerschom ben Jehuda. Dieser wurde auch auch Meor ha-Gola, »Leuchte des Exils« genannt, war einer der berühmtesten Talmudlehrer seiner Zeit und prägend für die jüdische Rechtsdiskussion.

Von der Seite betrachtet bildet das Gebäude den jüdisch-liturgischen Begriff Keduscha, also einen Segensspruch zur Heiligung bzw. Erhöhung profaner und weltlicher Gegenstände ab. Im ganzen Gebäude finden sich weitere Bezüge zu jüdischen Diskursen und auch der Thora oder in den SchUM-Städten entstandenen "Pijjut". Das in der Gegenwart errichtete Monument verankert sich in der Gelehrsamkeit von SchUM und verbindet dabei Tradition und Gegenwart.


Synagoge Weisenau

Die Synagoge in Mainz-Weisenau wurde 1737/38 erbaut. Sie ist die einzige Synagoge in Mainz, die die Zeit des Nationalsozialismus und die Bombenangriffe überdauerte und das ältestes noch erhaltenes Gebäude in Weisenau. Da die Weisenauer jüdische Gemeinde im 18. Jahrhundert fast ein Viertel der Dorfbevölkerung ausmachte, wurde die Synagoge auf der Wormser Straße errichtet.

Bei der Belagerung von Mainz 1793 wurde die Synagoge schwer beschädigt. Erst 25 Jahre später waren die Schäden behoben. In der Pogromnacht 1938 plünderten und entweihten die Nationalsozialisten die Synagoge Weisenau. Da ein Übergreifen der Flammen auf die benachbarten Häuser befürchtet wurde, setzten sie das Gebäude jedoch nicht in Brand. 1940 wurden die Synagoge und das Grundstück zwangsverkauft und in der Nachkriegszeit als Schuppen und Hühnerstall zweckentfremdet.

Die Synagoge geriet in Vergessenheit, erst 1978 wurde die ursprüngliche Bedeutung des Gebäudes durch die Ausstellung "Juden in Mainz" wiedererkannt. Das versteckt gelegene Gebäude wurde unter Denkmalschutz gestellt, der Landeshauptstadt Mainz übereignet und mithilfe des 1993 gegründeten Fördervereins restauriert. Am 27. Mai 1996 wurde die Synagoge eingeweiht.
Es wurden im Vorhof der Synagoge zwei Mikwen (rituelle Tauchbäder) gefunden, die aus unterschiedlichen Zeitepochen stammen. Diese Mikwen aus der Barockzeit und der Mitte des 19. Jahrhunderts machen die Weisenauer Synagoge einzigartig in Deutschland.


Judaica-Sammlung im Landesmuseum Mainz


Das Landesmuseum beherbergt eine Sammlung jüdischer Kultgegenstände, überwiegend Gold- und Silberschmiedearbeiten des 18. und 19. Jahrhunderts. Diese stammen aus der Sammlung des „Vereins zur Pflege jüdischer Altertümer in Mainz“, der am 3. Oktober 1926 das Museum jüdischer Altertümer im Seitentrakt der 1912 eingeweihten Hauptsynagoge in der Mainzer Neustadt eröffnete. Das Museum wurde in der NS-Zeit von den Nationalsozialisten geschlossen. Ein Großteil der Bestände an Kultgegenständen, Dokumenten und Handschriften wurde in der Pogromnacht vom 9. November 1938 zerstört. Von den geretteten Kultgegenständen ist ein großer Teil als Dauerleihgabe der Jüdischen Gemeinde in Mainz im Landesmuseum ausgestellt.


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